Samstag, 4. August 2012

Brautmode: Weiße Kleider in drei Farben


Brautkleider mit Spitze
Ganz in Weiß mit einem Blumenstrauß. Das muss doch hinzubekommen sein. So einfach ist das aber nicht. Vorgabe aber nur auf den ersten Blick.

Elfenbeinweiß? Cremeweiß? Knallweiß? Oder vielleicht doch ganz einfach rot? Die Braut hat die Qual der Wahl. Die Farbe Weiß hat ihr Queen Victoria eingebrockt, die ein solches Kleid am 10. Februar 1840 bei ihrer Trauung trug. Doch alles Übrige bei dieser Zeremonie war noch ganz anders, als man es nach dem Bombardement durch die Feierlichkeiten von Lady Diana oder Prinz William inzwischen gewöhnt ist. Die Zeremonie von Albert und Victoria war einfach, privat, die Braut nur mit ein paar Blümchen dekoriert, die allerdings den strengen Hofschranzen eine Steilvorlage lieferten: Irgendetwas ist Moralaposteln immer zu ordinär. In diesem Fall waren es die orangenen Blüten, in die man damals einen allzu deutlichen Hinweis auf Fruchtbarkeit hineingeheimnisste. Tatsächlich waren sie vor allem eins: teuer. Und deswegen geschah, was nach jeder Prominenten-Hochzeit geschieht: Die anderen wollten es auch haben. So wurden Orangenblüten aus Kunststoff ein Renner. Und Queen Victoria bekam neun Kinder.

Passt die Taille? - Christiane Wegener begutachtet in ihrem Atelier die Braut.  

Auch die Braut von heute will, was alle Frauen wollen, einen großen Auftritt, Applaus. Eine Kundin der Frankfurter Designerin Christiane Wegner erlebte das schon bei der Anprobe im Laden Wegeners an der Schifferstraße: Eine Gruppe zufällig am offenen Atelier vorbeikommender englischer Touristen hielt spontan inne und applaudierte. Die Mutter der Braut Olesya Hagebölling fand später trotzdem Grund zur Klage. Das Kleid sei nicht weiß genug. Ansonsten erfüllt das vorgeführte  Spitzengewand alle Bedingungen für einen glücklichen Anfang. Denn über die Jahre hat sich nicht nur die angelsächsische Forderung durchgesetzt, die Braut solle etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues tragen, sondern auch die Überzeugung, jeder Knopf stehe für ein glückliches Ehejahr. Und Knöpfe gab es für Olesya reichlich.

Die Vorstellungen werden immer „brautiger“, je näher der Tag kommt Ihre Erfahrungen bei den üblichen Brautmodeläden waren weniger erfreulich gewesen. Acht Monate werde sie aufs Kleid warten müssen, habe man ihr gesagt, einen Termin müsse sie machen, und zu allem Überfluss hatten ihr die Kleider überhaupt nicht gefallen. Die Korsettstangen von der Stange, die die Brüste schön zur Geltung bringen sollten, waren zu lang und zu starr. Und wer will eine ständig an sich herumzupfende Braut sein, die verzweifelt ihren Körper unter Kontrolle zu halten versucht? Damit sollte doch am Hochzeitstag Schluss sein dürfen. Das maßgeschneiderte, von den Wünschen der Braut und dem Können der Designerin geprägte einzigartige Kleid war die ideale Lösung, das kongenial mit der eleganten historischen Würde des Schlosshotels Kronberg harmonierte. Dass Queen Victorias Enkelin Kaiserin Friedrich das Hotel als Schloss Friedrichshof bauen ließ und als Witwensitz nutzte, spielt ja keine Rolle mehr.
... und damit alles perfekt passt, legt die Designerin sorgfältig Maß an.

Christine Wegner, der neun von zehn Frauen nach dem ersten Gespräch den großen Auftrag geben, erlebt immer wieder, dass ihre Kundinnen zu Beginn des gemeinsamen Entwurfs Wert darauf legen, das Kleid nach dem Fest auch zu banaleren Anlässen tragen zu können. Ein Wunsch, der noch im 19. Jahrhundert ganz selbstverständlich war. Aus dem Brautkleid sollte ein Tageskleid werden können. Doch Wegner stellt immer wieder fest, das nach drei oder vier Anproben die Vorstellungen immer „brautiger“ werden, je näher der Tag kommt.
Ein Brautkleid und zwei Anzüge für den Bräutigam für insgesamt 2000 Euro

Jedes Land hat seine Vorbilder. Und doch dominiert das inzwischen als klassisch empfundene Kleid mit der schmalen Taille und dem üppigen Rock auch die türkische Vorstellung vom bräutlichen Glanz. Tayfur Karabey, der zusammen mit seiner Frau Resmigül seit acht Jahren das Hochzeitsmodengeschäft „Oscar - Mode & more“ in Wiesbaden betreibt, stellt dieselbe Vorliebe der Bräute für die Farbnuance Cremeweiß „bei den Ausländern“ fest, wie er seine türkischen, afghanischen und marokkanischen Kunden unbekümmert nennt, wie bei den Deutschen.

Tayfur Karabeys Spezialität sind die Pakete: Ein Verlobungskleid, ein Brautkleid und zwei Anzüge für den Bräutigam für insgesamt 2000 Euro, maßgeschneidert und in der Türkei genäht. Von den bei Türken beliebten Fahrten nach Istanbul, wo man schnäppchenmäßig günstige Brautkleider zu finden hofft, rät er dringend ab. „Ich sehe meine Kunden immer wieder, die aber sehen sie nur einmal.“ Unten am Bosporus redeten alle auf die künftige Braut ein, versprächen Geschenke und zusätzliche Accessoires, die dann doch nicht mitgeschickt würden, und eine Korrektur verschnittener Modelle sei nicht möglich. Karabey will seine Kunden nicht veräppeln, sagt er, wobei er den noch drastischeren deutschen Begriff verwendet. Seiner Wortgewandtheit verdankt Karabey auch deutsche Kundinnen. Sie bevorzugen einfache, schlichte Kleider, hat er festgestellt, und können deshalb in seinem „Süperservice“, wenn es mal pressiert, auch schon nach zwei Wochen bedient werden. Vier Wochen sind die Regel; von Hand aufgenähte Perlen brauchen eben ihre Zeit.
„Männer wollen auch ein bisschen schön sein“

Beeindruckend das Gewicht der Kleider, das nicht nur von den Perlen, sondern von der Länge der Schleppe bestimmt wird. Ein bis zwei Meter sind zwar üblich, aber ein Prachtstück von 15 Metern hat er auch schon liefern müssen. Die bunten Kleider im Schaufenster sind meist Verlobungskleider oder Roben für die weiblichen Familienangehörigen, die regelmäßig gleichzeitig mit der Braut in den Laden einfallen: Schwester, Tante, Mutter und Großmutter. Natürlich wüsste man nur zu gern, ob die Bräute ihren Künftigen selbst auswählen durften, doch schon die Frage nach Kopftuchträgerinnen beantwortet Karabey ganz entschieden: „Höchstens fünf Prozent. Eher nur zwei oder drei.“ Die konservativeren Muslime feierten allerdings ohnehin meistens in ihrem Heimatland.

Auffällig bei „Oscar - Mode & more“ sind die bunten Anzüge für die Männer. Mehr als dreißig Farbtöne bietet Karabey an, und keineswegs nur Dutzende Variationen von Tiefschwarz bis Anthrazit. „Männer wollen auch ein bisschen schön sein“, sagt Karabey. Deutsche Bräutigame sind konservativ. Sie wollen nicht auftrumpfen, sondern überlassen mit stillschweigendem Einverständnis der Braut die Rolle der Heldin. Krawatte und Blume im Revers haben zwar oft die gleiche Farbe wie das Kleid der Braut, und die Weste ist meist weiß, doch damit hat es sich. Designerin Angelika Platte von Chichino in Wiesbaden fordert immerhin die Freundinnen der Braut zu einem modischen Drama heraus und hat einen Overall entworfen, der als ironischer Kommentar zur Geschichte des Brautkleids herhalten könnte. Das edle Stück assoziiert die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Frauen nach der Rückkehr der Männer froh waren, ihre männliche Rolle in Fabrik, Büro oder Familie aufgeben zu können. Eine Erleichterung, die kurzfristig einige Jahrgänge von Bräuten animierte, nach Kleidern zu verlangen, die gar nicht feminin und romantisch genug sein konnten, wie es Caroline Cox in ihrer Studie „Brautcouture“ nachvollzieht. Unbeschreiblich weiblich ein anderer Vorschlag von Chichino: ein Kleid wie Top mit Rock, für das die Textilkünstlerin Andrea Noeske-Porada - ausschließlich für Chichino - Wolle auf Seide filzte und so einen Stoff entstehen ließ, bei dessen Tragen sich die Braut aus ganz anderen als romantischen Gründen wünschen wird, der Tag möge ewig dauern.
„Man kennt sich ja heutzutage auch schon so lange“

Auch Angelika Platte hat festgestellt, dass die Suche nach einem Brautkleid eine absolute Ausnahmesituation ist. Frauen, die sich sonst eher sachlich und zweckmäßig minimalistisch kleiden, kosten das Vergnügen, Braut spielen und sein zu dürfen, bis zur Neige aus. Das Wort „Liebe“ taucht in all den Erörterungen von Braut, Gefolgschaft und Designerin nicht auf. Eher wird die Wahl des Kleids als ein Punkt auf einer langen Liste abgehakt, zu der Gästeliste und Sitzordnung genauso gehören wie der Junggesellinnenabschied, der heute leicht in eine gemeinsame Reise ausarten kann. Von sämtlichen Location- und Catererproblemen ganz zu schweigen, vulgo: Wo feiert und was isst man.


Detail auf Detail stimmt die Designerin auf die Wünsche der Kunden hin ab.

„Man kennt sich ja heutzutage auch schon so lange“, meint Angelika Platte. Die meisten halten das zu Unrecht für eine neue Entwicklung. Tatsächlich war es bis zum 19. Jahrhundert üblich, sich zunächst zu verloben, nicht für eine Stunde, nicht für einen Tag, sondern für Jahre, und dann erst kam irgendwann die Hochzeit und irgendwann auch der Pfarrer in Mode. Der englische Priester, Theologieprofessor und Autor von Sexualratgebern Adrian Thatcher macht sich über den angeblichen Meilenstein Trauung lustig. Im 18. Jahrhundert seien die Hälfte aller amerikanischen und englischen Bräute schwanger gewesen. „Wenn Christen der Meinung sind, die Ehe beginne mit der Trauung, leiden sie an kollektiver Amnesie“, schreibt er in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Crucible“. Doch der Wunsch nach Jungfräulichkeit versucht sich immer noch durchzusetzen, in manchen Bevölkerungsgruppen in den USA geschlechterübergreifend, in muslimischen Ländern zum Nachteil der Frau, deren weißes Leintuch nach der Hochzeitsnacht befleckt zu sein hat. Westliche Bräute bevorzugen es, vor dem Schoß blutrote Brautsträuße zu tragen, die sie dann spöttisch rückwärtsgewandt in die Menge werfen.

Bizarr erscheinen uns die marokkanischen Riten, die die Braut auf einen Thron verbannen, auf dem sie dann am „Hennaabend“ am Tag vor der Trauung geschminkt und geschmückt wird. Für die Braut und ihre Freundinnen ein Riesenspaß, sagt die temperamentvolle Nabila Aouragh, die mit einer Freundin das Studio Paris betreibt und solche Abende im Rhein-Main-Gebiet organisiert. Sie verleiht traditionelle orientalische Brautmode, Schmuck und prächtige Verlobungskleider („Für afghanische Frauen nur in Grün“), weiß, dass eine geschiedene Frau als Hennamalerin unerwünscht ist. Das soll Unglück bringen. Wieder die vorsichtige Frage: Und woher kennen sich Braut und Bräutigam? „Aus dem Internet.“

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