Ein Hochzeitskleid aus Papier |
Ausgefallene Mode - nicht aus Seide, nicht aus Samt, nein, aus Papier. Isabelle de Borchgrave entwickelt täuschend echt wirkende Gewänder aus einfachem Papier. Jetzt sind die Werke der Brüsselerin erstmals in Deutschland zu sehen.
Es wird gebohrt und gehämmert, es klingeln Telefone, werden Bilder aufgehängt und Plastiken aufgestellt. Isabelle de Borchgrave scheint überall gleichzeitig zu sein - ihre pinkfarbene Bluse leuchtet von Weitem:
"Es ist wirklich ein verrückter Luxus für einen Künstler, seine eigene Galerie zu haben."
Vor ein paar Tagen hat sich die Künstlerin den rechten Arm gebrochen. Ärgerlich. Denn am nächsten Abend möchte sie in ihrem neuen 1500 Quadratmeter großen Atelier eine Ausstellung mit ihren eigenen Werken eröffnen.
"Mit diesem Atelier habe ich einen Lebenstraum verwirklicht. Es ist ein luftiger, heller, fröhlicher, mit viel Platz, auch um Leute einzuladen. Es ist mein fünftes Atelier. Im letzten war ich 28 Jahre - es war eng und hatte keine Fenster. Sie können sich also vorstellen, was für ein Glück es ist, hier zu sein."
Die 58jährige, groß, mit mittelblond gelocktem Haar, rückt ein paar Stühle zurecht, schaut im Garten ins Bassin, ob noch alle Koi Fische leben - einer heißt Matisse, wie ihr großes Vorbild -, zupft an ein paar Blumen, serviert Kaffee. Das Atelier von Isabelle de Borchgrave, die vor allem für ihre Haute Couture aus einfachem Papier berühmt ist, ist ein Gesamtkunstwerk:
"Es ist so eine Art zu leben, ja, Lebensfreude, meine Vorstellung von Schönheit - das muss ja nicht jedem gefallen. Bei mir sind immer Blumen, und wenn Sie täglich zwischen Blumen und Farben leben -das geht in den Kopf."
Isabelle de Borchgraves ganzes Leben hat sich mehr oder weniger im Brüssler Stadtteil Ixelles abgespielt. Dort kommt sie 1954 zur Welt, dort ist heute auch ihr Atelier, dort fühlt sie sich verwurzelt. Mit vierzehn Jahren verläßt sie die Schule und versucht sich kurzzeitig an der Kunstakademie ihrer Heimatstadt. Sie ist mit einem Stift in der Hand geboren, erzählt sie. Ihre Familie hat sie allerdings nicht gefördert, und so ist sie Autodidaktin. 1971, da ist Isabelle de Borchgrave gerade 17 Jahre alt, reist sie mit dem Rucksack nach Asien - ein Schlüsselerlebnis:
"Ich war auf dem Markt in Katmandu, saß auf den Stufen und zeichnete den Markt von oben. Plötzlich sah ich eine Frau, die Zwiebeln verkaufte. Die lagen auf einem hinreißenden Stoff. Ich hatte kaum Geld, aber es reichte gerade für die Zwiebeln. Da habe ich alle gekauft, und die Frau wickelte sie mir in dem Stoff ein. Das ist doch wunderbar. So ist mein Leben."
Stoffe, Farben, Muster. Zurück von dieser Reise, der noch zahlreiche folgen sollten, beschließt Isabelle de Borchgrave, sich fortan mit Mode zu beschäftigen:
"Ich war nicht sehr verwöhnt, und habe meine Kleider selbst genäht, vor allem für Partys. Da wollten plötzlich alle solche Kleider haben, und ich habe meinen ersten Laden aufgemacht. Mit 21 hatte ich acht Angestellte - ich konnte nicht schlafen, so viel Angst hatte ich vor allen Problemen, die auftauchen konnten."
Sie schließt den Laden nach kurzer Zeit wieder. Aber einmal von der Mode infiziert, kommt sie davon nicht mehr los. Nur, dass sie jetzt statt farbiger Stoffe einfaches weißes Schnittpapier nimmt, es bemalt, zerschneidet, drapiert, plissiert, verziert - und sich dabei von niemandem reinreden lässt.
Während unten in der Galerie die Ausstellung aufgebaut wird, verwandeln in der ersten Etage sechzehn Mitarbeiterinnen Papier zu Haute Couture. Unter Isabelle de Borchgraves Anleitung wird ein scheinbar so banales Material zu Brokat und Damast, zu feiner Seide, weichem Samt oder edelster Spitze:
"Es kommt einem absurd, aber das ist es nicht. Wenn Sie armes Medium in den Händen haben, können Sie es nur verschönern. Es ist wie ein erstes Spielzeug: wenn Sie einem Kind ein Stück Papier geben, wird es in jedem Fall etwas damit machen: es bemalen, zerreißen, einen Hut draus machen, was auch immer."
Isabelle de Borchgraves Mann Werner organisiert im Hintergrund, kümmert sich um Verträge und Ausstellungen. Tochter Pauline arbeitet im Atelier mit, Sohn Nicolas schneidet dort seine Filme. Auftraggeber für die Künstlerin sind meist Museen. Aber manche Gewänder werden auch von Privatkunden bestellt. So ließ sich die belgische Königin Fabiola für eine Hochzeit ein helles Kostüm aus Papier anfertigen - im Atelier hängt davon ein Photo:
"Ich mache auch Kleider für Hochzeiten, vor allem Schleier. Der Hochzeitstag selbst dauert ja nur ein paar Stunden, und da passt ein Kleid aus Papier doch gut. Man kann es bemalen, und das ist viel lustiger, als das übliche weiße Kleid aus Mousseline, das langweilig wie eine Gardine fällt."
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